2.1  Gegenstand der Wirtschaftskybernetik       Kyb 2110  [1/2]
Bei der Begründung der wissenschaftlichen Grundlagen der Kybernetik spielten - wie in der Einführung auf Seite Kyb 1110  dargestellt - die erkannten Analogiebeziehungen in Bezug auf Regelungs- und Informationsprozesse in der lebenden Natur und in Automaten die entscheidenden Rolle.
Die Interpretation ökonomischer Sachverhalte aus kybernetischer Sicht und unter Verwendung kybernetischer Termini ließ Ende der 50iger, Anfang der 60iger des vorigen Jahrhunderts  jedoch nicht lange auf sich warten.1

Der Terminus "Wirtschaftskybernetik" bzw. "ökonomische Kybernetik" tauchte jedoch erst später.2
Eine besondere Rolle bei sachbezogenen Entwicklung, Nutzung und Publikation kybernetischer Darstellungen ökonomischer Sachverhalte in Deutschland spielten seit den 60iger Jahren des 20. Jh. die Internationale Konferenzreihe "Mathematik und Kybernetik in der Ökonomie"3 sowie die 1968 gegründete "Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik e. V." 4 mit ihren Publikation in der Reihe "Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse".

Zum Gegenstand und Ziel der Wirtschaftskybernetik kann hier Folgendes ausgeführt werden:

Gegenstand der Wirtschaftskybernetik bilden Aufgaben der Analyse, Beschreibung und Modellierung der Struktur und der Funktionsweise von Wirtschaftseinheiten und -bereichen als dynamische, selbstorganisierende und selbststeuernde Systeme sowie Aufgaben der modellgestützten Simulation von Basis- und Steuerprozessen im Bereich der Wirtschaft unter Beachtung gegenwärtiger und künftiger Unsicherheiten sowie von internen und externen Störeinflüssen im Wirtschaftsgeschehen.
Dies erfolgt vor allem mit dem Ziel, Aussagen und Darstellungen der betreffenden wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen zu Wirtschaftsprozessen aus der Sicht der Einheit von System, Steuerung und Information zu erweitern und zu fundieren sowie den Entscheidungsträgern in der Wirtschaft geeignete Entscheidungshilfen, vor allem in Gestalt von computergestützten Simulationsmodellen bereitzustellen, die es ihnen bei der Planung, der Realisierung sowie der Überwachung und Kontrolle der zu steuernden Basisprozesse ermöglichen, vorausschauende und möglichst optimale Entscheidungen zu treffen und dabei den Erfordernissen einer selbstlernenden Steuerung im betreffenden Verantwortungsbereich gerecht zu werden.
Ihren Höhepunkt erreichten Publikationen zu Grundlagen und Anwendungen der Wirtschaftskybernetik in den 70iger Jahren des 20. Jh.5
Seitdem ging das Interesse an diesem Thema sichtbar zurück, denn nachfolgend waren nur noch wenige Gesamtdarstellungen zur Kybernetik mit Bezug zur Anwendung in der Ökonomie zu verzeichnen.6
Dafür wurde dem Thema "Systemforschung und Systemanalyse" mehr Aufmerksamkeit geschenkt.7

1 Siehe zum Beispiel:
GEYER, H./OPPELT, W. (Hrsg,): Volkswirtschaftliche Regelkreise. Verlag R. Oldenbourg, München 1957.
ADAM, A.: Messen und Regeln in der Betriebswirtschaft. Physica Verlag, Würzburg 1959.
BEER, St.: Kybernetik und Management. Fischer Verlag, Hamburg 1962.
Kybernetik in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft. Akademie Verlag, Berlin 1962.
2 Siehe zum Beispiel:
NÜRK, R.: Wirtschaftskybernetik. In Zeitschrift für Betriebswirtschaft, Jg. 1965.
LANGE. O.: Einführung in die ökonomische Kybernetik. Akademie Verlag, Berlin 1968.
LANGE, O.: Ganzheit und Entwicklung in kybernetischer Sicht. Akademie-Verlag 1969.
ADAM, A./HELTEN, E./SCHOLL, F.: Kybernetische Modelle und Methoden. Einführung für Wirtschaftswissenschaftler. Westdeutscher Verlag, Köln/Opladen 1970.
3 Konferenzprotokoll "Mathematik und Kybernetik in der Ökonomie", Akademie-Verlag, Berlin 1964. Folgekonferenzen alle zwei Jahre bis 1985 in der Ex-DDR.
4 Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialkybernetik (GWS),
5 Siehe zum Beispiel:

HELTEN, E.: Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaftskybernetik. Deutscher Industrieverlag, Köln 1970.
von KÄNEL, S.: Kybernetik für Ökonomen. Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1968/1971/1972.
6 Siehe zum Beispiel:

OERTLI-CAJACOB, P.: Praktische Wirtschaftskybernetik. Hanser Verlag , München1985
von LÄNEL, S./LAUENROTH, H.-G.MÜLLER, J.A.: Kybernetik. Eine Einführung für Ökonomen. Hochschullehrbuch. Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1990.

7 Siehe zum Beispiel:

Reihe Wirtschaftskybernetik und Systemanalyse, Duncker & Humblot Verlag, Berlin.

MALIK, F.: Strategie des Managements komplexer Systeme: Ein Beitrag zur Management-Kybernetik evolutionärer      Systeme. Haupt Verlag, Bern 2002.

GROTH, T.: 66 Gebote systemischen Denkens und Handelns in Management und Beratung. Carl Auer Verlag, Heidelberg 2017.